Robert Walsers Biel Français

4. Brotlos

Schüsspromenade 26, Museum Neuhaus

Aus: Träumen – Prosa aus der Bieler Zeit Dichter, gelesen von Rolf Hermann

Auf die Frage: Wie kommen Autoren von Skizzen, Novellen und Romanen in der Regel des Weges daher?, kann oder muss geantwortet werden: Ziemlich verwahrlost und ärmlich. […] Lautet neuerlich die beiläufige Frage: Wie und wo, d.h. in was für Arten von Behausungen wohnen und hausen meistens die Herren Schriftsteller?, so ergibt sich die sehr schlichte Antwort: Es steht fest, dass es ihnen oft in hocherhobenen, aussichtsreichen Dachstuben am besten gefällt, weil sie von da aus den weitesten und freiesten Blick über die Welt geniessen. […] Aus Erfahrung kann ich sagen, dass Dichter, lyrische sowohl wie epische und dramatische, ihre mathematischen oder philosophischen Stuben recht selten einheizen. «Wenn man im Sommer schwitzt, so darf man doch wohl im Winter zur Abwechslung ein wenig frieren», sagen sie, und sie schicken sich soweit sehr talentvoll sowohl in die Hitze wie in die Kälte. Sollten ihnen beim Sitzen und Schreiben Beine, Arme und Hände vor Kälte steif werden, so brauchen sie ja nur eine Zeitlang mit erwärmendem Atem an die Finger zu hauchen, oder sie können, um die abhanden gekommene Gliedergelenkigkeit wiederherzustellen, vom Stuhl aufstehen und die eine oder die andere Körperbewegung ausführen, und alsbald wird sich das genügende Quantum Wärme von selber einfinden. Turnübungen wirken ausserdem recht belebend auf den vielleicht überanstrengten und infolgedessen etwas erschlafften Geist. Im übrigen vermögen Schaffensenergie, gute Gedanken, fröhliche Einfälle und der feurige dichterische Entschluss ganz gewiss und zu jeder Zeit einen glühenden Ofen fast vollständig zu ersetzen.